Europaschule in NRW bilingualer deutsch-franz. Zweig AbiBac

Nach 20 Jahren Produktionen von zeitgenössischen Theaterstücken in französischer Sprache (einzige Ausnahme: Molière, Le Bourgeois Gentilhomme) begab sich die Theater-AG diesmal ganz mutig in das Zauberreich der Romantik: Les Caprices de Marianne von Alfred Musset (1810 – 1857). Im Vorjahr schon hatte Carla Jamet-Lange (Q2) signalisiert, sie würde gern die Rolle der Marianne übernehmen. Damals jedoch war die Mehrheit für das lange ernste Problemstück Le voyageur sans bagage von Jean Anouilh gewesen.

Mit dem Titel Les Caprices de Marianne stellt Musset die Verführbarkeit einer Ehefrau, die als Inbegriff der Tugend („un dragon de vertu“) gilt, in den Mittelpunkt: ein psychologischer Konflikt einer Frau, die trotz ihrer gelebten und lautstark verkündeten Moralvorstellungen schließlich umkippt und der Versuchung erliegt.

Die Dynamik des Stückes vollzieht sich durch die Entwicklung der Titelfigur: von der treu ergebenen und in Zwängen und Konventionen verhafteten Ehegattin hin zur einer Frau, die sich einen Liebhaber wünscht.

Die Dialoge sind zum Teil sehr knapp und konzentriert, ökonomisch und auf das Wesentliche reduziert, und, obwohl Komödie, schließt das Stück tragisch (mit Mord und anschließender Szene am Grab) – genau wie unser Leben!

Da die Caprices de Marianne insgesamt sehr kurz und komprimiert sind, überaus bühnenwirksam, und sich einer einfachen Sprache bedienen, schienen sie für fremdsprachiges Schülertheater gut geeignet. Auch bot das Stück den zum Teil schon seit Jahren geübten Darstellern viele Möglichkeiten zum Gestalten ihrer Charakterrollen.

  

Nachdem wir lange vergeblich nach einer Besetzung der Rolle des Claudio gesucht hatten (Mariannes lächerlicher und wesentlich älterer Ehegatte), erklärte sich Anfang Dezember der bühnenerfahrene und vielfach erfolgreich erprobte Yari-Lasse Jäger (Q2) dann doch bereit, die Rolle zu übernehmen. Für die umfang- und facettenreichste, ja sicher anspruchsvollste Rolle hatten wir schon gleich zu Beginn Martin Steinau (Q2) gewinnen können, der am Schluss der Anouilh-Produktion schon den petit garçon so erstaunlich überzeugend gespielt hatte. Martin konnte schon früh große Teile seines Textes auswendig, was die Effektivität der Probenarbeit enorm steigerte, und spielte so souverän und nuanciert wie ein professioneller Darsteller.

Und noch eine große Überraschung: da sich für die dritte männliche Hauptrolle, den schwärmerischen, unglücklich in Marianne verliebten Cœlio, kein Junge gefunden hatte, betrauten wir Rose Bongert, eine Schülerin aus der 8. Klasse, mit dieser Herausforderung, die sie mutig annahm und erstaunlich gut bewältigte.

Mehr noch als bei früheren Produktionen zeigten fast alle Darsteller bei den täglichen Proben in den zwei Wochen vor der geplanten Premiere großes darstellerisches Können und ein ungewöhnlich hohes Maß an Bühnenpräsenz.

Und genau wie die Caprices de Marianne als Komödie beginnen und tragisch enden, so schloss auch unsere Probenarbeit tragisch: am letzten Schultag vor der Generalprobe wurde die Schule im Rahmen der „Corona-Maßnahmen“ bis Ostern geschlossen und auch während der vorsichtigen Öffnung zwischen Oster- und Sommerferien blieben Theateraufführungen mit Publikum in der Schule weiterhin untersagt: Wir durften unsere aufführungsreife Produktion nicht aufführen!

 

                                                                                                                   Klaus Otterbach

Ein Bild der Skyline der Zeche Bochum