Europaschule in NRW bilingualer deutsch-franz. Zweig AbiBac

Was ist Philosophie? Diese Frage ist tatsächlich nicht ganz einfach zu beantworten, und man muss schon ein bisschen weiter ausholen:
Wir Menschen haben alle das Bedürfnis herauszufinden, wer wir sind und warum wir leben, und es gibt wohl nieman­den, der sich mit solchen Themen nicht schon einmal beschäftigt hätte. Die Philosophen sind davon überzeugt, dass man Fragen dieser Art ernst nehmen muss; sie gehören einfach zum Menschsein dazu. Die Philosophie widmet sich also Problemen wie diesen: Wie ist die Welt entstanden? Liegt hinter dem, was geschieht, ein Wille oder ein Sinn? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Wie sollen wir überhaupt die Antwort auf solche Fragen finden? Wie sollen wir leben? Wel­che Regeln können wir für unser Leben finden?
Solche Fragen haben sich die Menschen schon immer und in allen Kulturen gestellt und sie haben viele verschiedene Antworten darauf gefunden. Keines dieser Probleme ist endgültig gelöst – die Antworten muss jeder und jede auch heu­te noch für sich selbst finden.
Trotzdem sind die Philosophie und der Philosophieunterricht keine Talk-Show, in der jeder Teilnehmer einfach seine Meinung sagt und in der dann ein bisschen herumdiskutiert wird. Zur Philosophie gehören vernünftiges Argumentieren, Abwägen verschiedener Gesichtspunkte, Kenntnisnahme und kritische Reflexion historischer und auch aktueller Posi­tionen und ein Interesse an anderen Meinungen zwingend dazu.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Einige der bedeutendsten, interessantesten oder auch verrücktesten Antworten, die in den letzten 2500 Jahren auf die Fragen der Philosophie gegeben worden sind, sollte man kennen lernen. Das nimmt einem die persönliche philosophische Entscheidung nicht ab, hilft aber beim Nachdenken.
Der Philosophieunterricht hat es also in erster Linie mit Fragen, dann aber auch mit Antwortversuchen – und das heißt zumeist mit Texten – zu tun.
Viele von euch kennen das Fach bereits als „Praktische Philosophie“ in der Sek. I. In der Oberstufe werden dessen The­men vertieft und prinzipieller behandelt. Eine Voraussetzung der Belegung von „Praktischer Philosophie“ in Sek. I für die Wahl Philosophie in Sek. II besteht nicht.

Die einzelnen Oberstufenkurse sehen so aus:

EF: Einblick in die verschiedenen Bereiche der Philosophie
In der „Einführung“ geht es zunächst um die Fragen, was es genau heißt zu philosophieren und wozu man überhaupt philosophieren sollte. Des Weiteren werden verschiedene Bereiche der Philosophie vorgestellt. Wir informieren uns z. B. über den Beginn der Philosophie bei den alten Griechen und beschäftigen uns mit einigen zentralen Fragen der Philo­sophie: Ist der Mensch ein besonderes Lebewesen? Ist die Welt eigentlich in Wirklichkeit so, wie wir sie wahrnehmen? Gibt es eine Moral, die für alle gilt? Kann man Gott beweisen? (u. a.)

Die Unterrichtsvorhaben bzw. Themen heißen:
    •    Was heißt es zu philosophieren? – Welterklärungen in Mythos, Wissenschaft und Philosophie
    •    Ist der Mensch ein besonderes Lebewesen? – <Sprachliche, kognitive und reflexive> Fähigkeiten von Mensch und Tier im Vergleich
    •    Eine Ethik für alle Kulturen? – Der Anspruch moralischer Normen <auf interkulturelle Geltung>
    •    Wann darf und muss der Staat die Freiheit des Einzelnen begrenzen? – Die Frage nach dem Recht und der Gerechtig­keit von Strafen
    •    Kann der Glaube an die Existenz Gottes vernünftig begründet werden? – Religiöse Vorstellungen und ihre Kritik
    •    Was können wir mit Gewissheit erkennen? – Grundlagen und Grenzen menschlicher Er­kenntnis

Q 1/1: Anthropologie: Sie fragt: Was ist der Mensch? Inwieweit sind wir biologisch und kulturell (sozial, historisch, psychisch) geprägt? Gibt es ein allgemein-menschliches Wesen des Menschen?

Die Unterrichtsvorhaben bzw. Themen heißen:
    •    Ist die Kultur die Natur des Menschen? – Der Mensch als Produkt der natürlichen Evolu­ti­on und die Bedeutung der Kultur für seine Entwicklung
    •    Ist der Mensch mehr als Materie? – Das Leib-Seele-Problem im Licht der modernen Ge­hirnforschung
    •    Ist der Mensch ein freies Wesen? – Psychoanalytische und existentialistische Auffassung des Menschen im Vergleich

Q 2/1: Ethik/ menschliches Handeln, d. h. die Fragen: Was soll ich tun? Wie sollen wir leben?
Sind wir überhaupt frei genug, diese Frage zu entscheiden? Sind wir durch unsere Erziehung und unsere Kultur so vor­bestimmt, dass wir gar keine Wahl haben? Sollten wir uns beim Handeln nach Vorschriften richten, sollten wir unserem Gefühl vertrauen oder unserem Verstand? Haben wir das Recht, andere in ihren Handlungen zu beurteilen oder zu ver­urteilen?

Die Unterrichtsvorhaben bzw. Themen heißen:
    •    Wie kann das Leben gelingen? – <Eudämonistische> Auffassungen eines guten Lebens
    •    Soll ich mich im Handeln am Kriterium der Nützlichkeit oder der Pflicht orientieren? – <Uti­litaristische und deontolo­gische Positionen im Vergleich >
    •    Gibt es eine Verantwortung des Menschen für die Natur? – Ethische Grundsätze <im Anwen­dungskontext> der Ökolo­gie

Q 2/1: Staatsphilosophie/ politische Philosophie; Recht, Staat und Gesellschaft: Wie gehen wir miteinander um?
Hier geht es um Fragen wie: Warum gibt es einen Staat? Warum ordnen wir uns ihm mehr oder weniger bereitwillig unter? Wie müsste der „perfekte“ Staat aussehen? Und wie der perfekte Staatsbürger? Lassen sich Ungerechtigkeiten eigentlich jemals vermeiden?

Die Unterrichtsvorhaben bzw. Themen heißen:
    •    Welche Ordnung der Gemeinschaft ist gerecht? <Ständestaat und Philosophenkönigtum als Staatsideal>
    •    Wie lässt sich eine staatliche Ordnung vom Primat des Individuums aus rechtfertigen? – <Kontrak­tualistische> Staats­theorien im Vergleich>
    •    Lassen sich die Ansprüche des Einzelnen auf politische Mitwirkung und gerechte Teilhabe in einer staatlichen Ordnung realisieren? – Moderne Konzepte von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit auf dem Prüfstand

Q 2/2: Erkenntnistheorie: Was kann ich mit Sicherheit wissen? Erlange ich sichere Erkenntnis durch die Sinne oder durch den Verstand? Können wir die Welt so, wie sie „wirklich“ ist, erkennen? Kann man die Gedanken und Gefühle eines anderen Menschen verstehen? Welche Rolle spielen die modernen Neurowissenschaften bei der Beantwortung dieser Fragen?

Das Unterrichtsvorhaben bzw. Thema heißt:
    •    Was leisten sinnliche Wahrnehmung und Verstandestätigkeit für die wissenschaftliche Erkenntnis? – <rationalistische und empiristische Modelle im Vergleich>

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Q 2/2: Wissenschaftstheorie: Wie funktionieren eigentlich wissenschaftliche Verfahren und gibt es eine Logik in der Forschung? Sind die Ergebnisse der Wissenschaften objektiv richtig und verlässlich? Gibt es „endgültige“ Beweise für eine wissenschaftliche Theorie?

Das Unterrichtsvorhaben bzw. Thema heißt:
    •    Wie gelangen die Wissenschaften zu Erkenntnissen? – Anspruch und Verfahrensweisen der neu­zeitlichen Naturwissen­schaften


Soweit das Programm der Philosophiekurse in der Oberstufe. Wer sich für die angesprochenen Themen und Fragen in­teressiert, wer vor philosophischen Texten nicht zurückscheut und wer es aushalten kann, keine endgültigen Antworten auf seine Fragen zu erhalten – der und die sind im Philosophieunterricht richtig und herzlich willkommen!
 


(Entwurf Stand 12. Feb. 2017 - Überarb. der letzten Fassung vom Jan. 2015)

 

Ein Bild der Skyline der Zeche Bochum